Mein Herz empfiehlt sich deiner …

Wie immer stoßen poetische Übersetzungen schnell an ihre Grenzen. Mon coeur se recommande à vous, das ist nicht nur eine Empfehlung in eine Richtung von A nach B. Die französische Wendung impliziert
darüber hinaus weitere und vor allem wechselseitige Bedeutungen. Das hier mit ‚empfiehlt sich‘ nur unzulänglich wiedergegebene se recommander heißt auch:

mein Herz, das steht dir offen
schreibe dich in mein Herz hinein
mein Herz sei dir befohlen

Und damit ist im Grunde auch schon erklärt, warum die Messe Mon coeur se recommande à vous von Jo- hannes Eccard das Herzstück unseres diesjährigen weihnachtlichen Chorkonzertes ist. Weihnachten – das Fest der Liebe!? – das ist nicht immer so ganz einfach und der Umgang mit diesem Fest und seiner Botschaft oft vielschichtig und ambivalent. Das schimmert nicht zuletzt auch in der zwar freudigen Bejahung des Weihnachtsliedersingens, jedoch mit gleichzeitigem Zusatz: „… aber bitte nichts zu Kirchliches!“ durch.

Ambivalent ist auch die Entstehungsgeschichte der Messe: Ursprünglich wurde sie Orlando di Lasso (1532–1594), Eccards Lehrer, zugeschrieben. Dieser hatte angeblich zuvor ein weltliches Chanson auf den ebenfalls
weltlichen Text von Clément Marot (1496–1544) komponiert. Nach neueren Erkenntnissen jedoch, war es dann sein Schüler, der zur Übung die Aufgabe bekam, über das musikalische Thema des Chansons eine ganze Messe zu verfassen. Ein durchaus übliches Verfahren des frühen copy & paste, dessen Wurzeln bis in die Gregorianik reichen. Die auch heute noch übliche Nachlässigkeit der Quellenangabe führte allerdings
lange zur Fehlannahme der Autorschaft.

Auch die Herkunft der, bis vor kurzem noch als ein Musterbeispiel des Madrigalstils geltenden, vierstimmigen Chanson-Fassung geriet ins Wanken und entpuppte sich als hervorragende Kopie des alten Stils – vermutlich von J.-B. Weckerlin (1821– 1910) Mitte des 19. Jh. getätigt.

Zwischen den einzelnen Abschnitten der Messe erklingen traditionelle Advents- und Weihnachtslieder in neuen Sätzen von zeitgenössischen Komponisten und zwei weitere Motetten Johann Eccards, deren Autorenschaft bisher noch nicht angezweifelt wird. Dieses kann gerne wechselseitig-vielschichtig-ambivalent als Rahmen oder auch als Kommentar verstanden werden.

Die inhaltliche Botschaft der Musik zumindest ist eindeutig und soll hier durch ein weiteres biblisches copy & paste, einer Predigt zum I. Advent abgelauscht, bestärkt werden:
„… und lasst uns aufeinander achthaben und anreizen zur Liebe und zu guten Werken … “ (Heb 10,24)

Sandra Gallrein

Freu dich, Erd’ und Sternenzelt

Johannes Eccard: Missa super Mon coeur se recommande à vous … Kyrie

Johannes Eccard: Übers Gebirg Maria geht
Hugo Distler: Ich brach drei dürre Reiselein

Johannes Eccard: Missa super Mon coeur … Gloria

Böhmen 15.Jh. / Leitmeritz 1844/ Vytautas Miskinis: Freu dich, Erd und Sternenzelt
Schlesien / Felix Woyrsch: Auf dem Berge, da geht der Wind

Johannes Eccard: Missa super Mon coeur … Credo

Olmütz 1847/Carl Riedel 1870: Kommet, ihr Hirten
Köln 1623/Jürgen Essl: Als ich bei meinen Schafen wacht

Johannes Eccard: Missa super Mon coeur … Sanctus – Benedictus

Eichsfeld 19. Jh./Heinrich Kaminski: Maria durch ein Dornwald ging
Johannes Petzold/Jürgen Essl: Die Nacht ist vorgedrungen

Johannes Eccard: Missa super Mon coeur … Agnus Dei

John Francis Wade/Wolfram Buchenberg: Adeste, fideles (Herbei, o ihr Gläub’gen)
Johannes Eccard: Weihnachtsfreude

Alles Schöne ist golden und mit Perlen bestreut …

Wer sich einem Gegenstande mit gesteigertem Interesse nähern mag, tut gut daran, zunächst die Spezialisten zu befragen:

“…Wir wollen in gleichem Sinn hier die Märchen nicht rühmen oder gar gegen eine entgegengesetzte Meinung verteidigen: jenes bloße Dasein reicht hin, sie zu schützen. Was so mannigfach und immer wieder von neuem erfreut, bewegt und belehrt hat, das trägt seine Notwendigkeit in sich und ist gewiß aus jener ewigen Quelle gekommen, die alles Leben betaut, […] Der ganze Umkreis dieser Welt ist abgeschlossen:

Könige, Prinzen, treue Diener und ehrliche Handwerker, vor allen Fischer, Müller, Köhler und Hirten, die der Natur am nächsten geblieben, erscheinen darin; das andere ist ihr fremd und unbekannt. Auch, wie in den Mythen, die von der goldenen Zeit reden, ist die ganze Natur belebt, Sonne, Mond und Sterne sind zugänglich, geben Geschenke oder lassen sich wohl gar in Kleider weben, in den Bergen arbeiten die Zwerge nach dem Me-tall, in dem Wasser schlafen die Nixen, die Vögel (Tauben sind die geliebtesten und hülfreichsten), Pflanzen, Steine reden und wissen ihr Mitgefühl auszudrücken, …”
(Jacob und Wilhelm Grimm, Kassel, 18. Oktober 1812)

Auch wenn sich die Gebrüder Grimm in ihrem Vorwort nun im Folgenden vor allem auf den pädagogischen Nutzen der Prosa verlegen und auf strikter Erzählung beharren, so lassen wir es uns doch nicht nehmen, von der mythischen Natur und sagenumwobenen Gestalten in wohltönenden Liedern zu singen.

Stöbern Sie mit uns in den Geschichten und Fabeln aus England, Irland, Schottland Deutschland, Böhmen, Finnland, Schweden und wo sie noch herkommen mögen. Eröffnet wird der Bilderbogen mit einem Gedicht William Shakespeares aus Der Sturm, ihm folgen weitere, auch aus der Feder des Schotten Sir Walter Scott, Autor des berühmten Romans Ivanhoe.

Darthulas Grabesgesang, hier von Johannes Brahms vertont, entstammt den Ossianischen Gesängen. Ossian, ein keltischer Barde, Sohn König Fingals, der im 3. Jahrhundert lebte, liebte und sang, hat sicherlich viele Geschichten erzählt, jedoch, ob die von James McPherson 1760 herausgegebene Sammlung tatsächlich auf ihn zurück geht, ist äußerst strittig. Johann Gottfried Herder hat es jedenfalls sehr gefallen und im Schwange der in Dichterkreisen grassierenden Märchenbegeisterung übersetzt. Auch bei Goethe trug der Stoff zur Inspiration bei und lässt sich im Werther aufspüren.

In der skandinavischen Abteilung begegnet uns die beseelte Natur. Stimmungsvoll rauschen Meer und Roggenfelder und flüstern uns Erkenntnisse über das Leben ein.

Veljo Tormis gilt als einer der bedeutendsten estnischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Grundlegende Motivation für sein umfangreiches Chormusikalisches Schaffen ist die Bewahrung von Sprache, Geschichten
und Identität der unterschiedlichen baltischen und finnischen Volksgruppen. Und so stellen wir Ihnen repräsentativ drei Lieder aus Estland, Finnland und Karelien vor. Der Schwede Wilhelm Peterson-Berger be-sticht mit seinen romantischen Chorliedern. Nach seiner musikalischen Ausbildung mit kurzem Aufenthalt in Dresden, zieht es ihn nach Schweden zurück. Natur und Landschaft Jämtlands und die vielen Wanderungen als Rückzug aus Zivilisation und Musikbetrieb, sind seine Inspirationsquelle. Letztendlich wechselt er das Fach und wird Musikkritiker. Seine Kritiken mit dem Kürzel P.-B. wurden bald zu den gefürchtetsten im ganzen Land. Er schuf sich mit seiner schonungslosen Forderung nach Wahrheit und Einfachheit, seiner Ablehnung allen Künstlichen und Gekünstelten viele Feinde und wurde im schwedischen Musikleben zunehmend isoliert.

„Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, daß ich so traurig bin. Ein Märchen aus uralten Zeiten, das geht mir nicht mehr aus dem Sinn.“
Diese berühmten Zeilen aus der Loreley Heinrich Heines sind wohl allen bekannt. Die verführerische Nixe liegt auf einem Schieferfelsen im UNESCO Welterbe Oberes Mittelrheintal bei Sankt Goarshausen in Rheinland-Pfalz auf der Lauer und straft leicht ablenkbare Schiffer mit dem Untergang in den kalten Fluten des Rheins. Vor Heine hatte sich schon Clemens Brentano der Geschichte angenommen. Er war der erste, der den Felsen und die mit ihm verbundenen tragischen Unfälle auf eine Person übertrug. Die Entstehung des Echos am Loreley-Felsen fand somit eine neue Erklärung. Wahrscheinlich verband er den Echofelsen
mit dem antiken Mythos der Nymphe Echo, welche aus Trauer über den Verlust ihres Geliebten zu einem Felsen erstarrte, von welchem fortan ihre Stimme als Echo ertönte.

Aber glücklicherweise gibt es auch heitere Volkslieder mit Happy End, in denen der Jäger nach lustiger Jagd laut tönend den jungen Mädchen nachstellt und schlussendlich auch dem Traualtar zuführt.

Der aus Halle an der Saale stammende Komponist Helmut Barbe hat eine umfassende Sammlung von Volksliedvertonungen in drei Bänden vorgelegt, beseelt von dem Wunsch, den durch die Nationalsozialisten
in Verruf gebrachten wunderschönen alten Liedern eine neue Zukunft zu schenken und somit den Schunkelversionen einschlägiger TV–Beiträge zu entreißen.

Sandra Gallrein

... und es klingt im Abendwind

Charles Wood: Full Fathom Five
Arthur Sullivan: O hush thee, my babie
Robert Pearsall: Who shall have my lady fair

Die kleinen Schuhe – aus Irland

George Mac Farren: When daisies pied · Orpheus, with his lute
Johannes Brahms: Darthulas Grabesgesang op. 42,3

Die Meerwesen – aus Finnland

Wilhelm Peterson-Berger: Ved Havet
Veljo Tormis: Paimenessa · Ankarat on aallot · Suveöö
Wilhelm Peterson-Berger: Stemning

Himmelsflicken – aus Estland

Helmut Barbe: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten
Helmut Barbe: Es freit ein wilder Wassermann · Mit Lust tät ich ausreiten

Die wunderliche Gasterei – aus Deutschland

Helmut Barbe: An der Saale hellem Strande · Es wollt ein Jägerlein jagen