Tanzsuite
Tanz (ital. Danza) – auf Musik ausgeführte Körperbewegung = Ritual, Brauchtum, darstellende Kunstgattung, Berufstätigkeit, Sportart, Therapieform oder schlicht Gefühlsausdruck.
Soweit die einleitenden Worte im Lexikon. Ritualisiertes Tanzen drückt Zusammengehörigkeit und Emotionen aus. Als Initiationsritus begleitet es die Aufnahme neuer Mitglieder in eine Gemeinschaft, man denke da nur an Debütantinnen- und Abschlussbälle. Vor religiös-/spirituellem Hintergrund werden mit Tanzritualen Götter geehrt oder um Beistand gebeten, während böse Geister abgewehrt oder vertrieben werden. Tanzen ist wie Musik eine der ursprünglichsten menschlichen Ausdrucksformen. Belege für ritualisierte Gruppentänze sind seit 5000 v. Chr. auf indischen Höhlenmalereien sichtbar. Auch die Ägypter entwickelten technisch hoch anspruchsvolle Tänze, die von professionellen Tänzern aufgeführt wurden. Die Griechen dann, fingen an alles zu systematisieren. Nach Gottheiten – davon gab es reichlich und somit auch Tänze. In der Ilias findet sich Homers Beschreibung der Chorea. Ekstatische Tänze waren Teil der Dionysien und in den sich später entwickelnden Kunstformen Drama und Komödie spielte oft ein Chor mit, dessen Bewegungen als sogenannte Choreografie in den Stücken vermerkt wurde.
Im frühen europäischen 15. Jahrhundert dann, erobert eine neue Tanzform das Parkett: der Gesellschaftstanz. Dieser wurde nun als Paartanz beliebter höfischer Zeitvertreib und brachte den Berufszweig des Hoftanzmeisters hervor. Die ersten Tanzhandbu¨cher erschienen, es wurde gedichtet und gereimt und so manch diplomatisches Gespräch bei Pavane (Pfauentanz), Gaillarde und Quadrille höflich geführt. Musik und Tanz sind immer eng miteinander verbunden. In einigen Kulturen ist ihre Bedeutung so deckungsgleich, dass es für beide zusammen sogar nur eine Bezeichnung gibt. Oft symbolisieren bei rituellen Tänzen bestimmte Be-wegungen und Instrumente einzelne Götter, und das wesentliche, Musik und Tanz verbindende Element ist der Rhythmus, Rhythmus, Rhythmus …
Dalakopen – ein kleines Lied aus Schweden untermalt die Choreografie zu Beginn des Abends. Gefolgt von der Fuge aus der Geographie – einem Sprechgesang für Chor. Nach bester, an Expressionismus und Dada-Stil angelehnter Manier, bewegen sich die Stimmgruppen im rhythmischen Kontrapunkt textlich durch die Länder dieser Erde. Eine Provokation für die kunst-politischen Geschmackswächter der dreißiger und vierziger Jahre, dem Zeitraum, indem das Stück entstand und erstmals aufgeführt wurde. Die ‚Fuge‘ ist der etzte Satz der Suite Gesprochene Musik, welche eigens für die Wiedergabe durch das Grammophon, dem damaligen technischen Standard gedacht war. Hier, wie auch bei dem später folgenden Walzer, beruht die Wirkung des Stückes durch das “Fehlen” von Melodie auf den rhythmischen und klanglichen Eigenheiten der Sprechlaute.
Es folgt Chorgesang aus Katalonien/Spanien. Dabei ist die Sardana ein beliebter Volkstanz, der noch heute spontan von den Katalanen auf öffentlichen Plätzen, beispielsweise vor der alten Kathedrale von Barcelona getanzt wird. Charakteristisch ist der Wechsel von wenigen – langen Schritten – mit vielen, vielen, kleinen, kurzen Schrittfolgen. Weiter geht es nach Südamerika. Der Schwarze Mond basiert auf einem wiegenden
7/4-Takt, den der Bass im rhythmischen Pizzicato vorgibt. Mit Sensemayá dann begibt sich der Chor in gefährlicheres Gelände. In dem Gedicht des kubanischen Dichters Nicolás Guillén verschmelzen spanische Metrik mit afrikanischen Elementen. Durch Verwendung von lautmalerischen Wörtern (Mayombe – bombe) versucht er Klang und Rhythmus des Son abzubilden. In diesem Afro-Karibischen Zaubertanz leitet der Mayombero ein Schlangenopfer- Ritual, fu¨r den Gott Babalu Aye. Dieser hat sowohl die Macht zu heilen, als auch Krankheit und Verderben zu bewirken. Das Tanzlied im Ritmo di Joropo birgt eine kleine Besonderheit: “Alma Llanera” – “Llaneros Geist”! Ein populäres Lied des aus Venezuela stammenden Dichters Rafael Bolívar Coronado. Die Llaneros sind die Einwohner der Savannen an Orinoco und Araucas – riesige Gebiete in Venezuela und Kolumbien. In Lebensstil und Umgangston sind die Llaneros wahre Cowboys, also echte Kerle. Der Joropo ist eine Kombination aus afrikanischen und europäischen Einflu¨ssen und erinnert an einen Walzer. 1882 wurde er zu Venezuelas Nationaltanz erklärt und kaum eine Feier endet ohne “Alma Llanera” diese gesungene, inoffizielle Nationalhymne.
Die den Konzerttitel stiftende Tanzsuite von Mátyás Seiber für Klavier wurde von Winfried Radeke für die Chorwerkstatt textiert und arrangiert und steppt mit Slowfox – Rumba – Tango Argentino – Pasodoble
und Charleston in das Finale des Abends. Friedemann Graef (9. 6.) und Saxo con moto (10. 6.) wirbeln den Trubel mit ihren Saxophonen weiter durcheinander. Es tönen Blues, traditionell afrikanische Musik, Jazz
und Experimentelles durch den Raum. Besonders hervorzuheben sind dabei Gestik Goes Fantasy und Dialect VIII, Stücke mit improvisatorischem Charakter, die bei jeder Aufführung “neu” erklingen.
Tanzsuite
Bjørn Kruse: Dalakopen
Ernst Toch: Fuge aus der Geografie (Sprechchor)
Friedemann Graef: Gestik Goes Fantasy
Bobby Timons: Bluesmarch
Cristofor Taltabull: Madrigal
Manuel Oltra: El campanar de Lleida (Sardana)
Friedemann Graef: Axumadé
Homero R. Perez: Tenemos Esperanza
Harald Genzmer: Der schwarze Mond
Astor Piazolla: Adios Nonino
Harald Genzmer: Sensemayá
Heinrich Poos: Tanzlied (Ritmo di Joropo)
A. Pixinguinha: Choro da Gafiera
Astor Piazolla: Adios Nonino
Ernst Toch: Walzer (Sprechchor)
Friedemann Graef: Dialect VIII
American Spiritual: Wade in the Water
Mátyás Seiber/Winfried Radeke: Tanzsuite (Slowfox – Rumba – Tango Argentino – Pasodoble* – Charleston)
Laudate
Johann Sebastian Bach: Jauchzet dem Herrn alle Welt BWV Anh. 160 Choralsatz (Lob, Ehr und Preis)
Johann Sebastian Bach: Passacaglia und Fuge c-moll BWV 582
Josef Rheinberger: Adventsmotetten op. 176 (Ad te levavi – Universi – Ex Sion – Deus tu convertens)
Edmund Rubbra: The Virgins Cradle Hymn op. 3
Benjamin Britten: Hymn to the Virgin
Anonym (England 1591): Coventry Carol
William Byrd: Fantasia
Josef Rheinberger: Adventsmotetten op. 176 (Rorate coeli – Prope est dominum – Ave Maria)
Javier Busto: Salve Regina
Javier Busto: Laudate Dominum
Anonym (Spanien 1556): Cancionero del Uppsala (Verbum caro factum est)